KI - Mehr als 'nur' ein Programm

Michael Notter, Christian Luebbe & Arnaud Miribel @ EPFL Extension School · 10 Minuten

Was unterscheidet die KI von einem normalen Computerprogramm?

Nachdem wir nun ein besseres Verständnis davon haben, was die zwei Buchstaben ‘KI’ genau bedeuten und wie sich künstliche Intelligenz von der natürlichen Intelligenz von Tieren und Menschen unterscheidet, ist es nun an der Zeit die technologische Seite dieses Themas zu betrachten.

Was ist genau der Unterschied zwischen einer KI-Technologie und einem normalen Computerprogramm? Beide benötigen Anweisungen (in Form von Softwarecode), um zu funktionieren, und beide werden auf elektronischen Geräten ausgeführt. Wie kann es somit also zu solch grossen Leistungsunterschieden kommen? Wurden nicht beide letzten Endes von Menschen programmiert? Ja und nein!

Bei einem klassischen Algorithmus entwickelt der Mensch zunächst eine Konzept und dann einen Lösungsweg für eine bestimmte Aufgabe. Letzteren wandelt er anschliessend in eine Liste von statischen Anweisungen um (den Code), die von einer Maschine gelesen und verstanden werden können. Im Gegensatz dazu verwendet ein KI-Algorithmus agilere Anweisungen. Obwohl ebenfalls von einem Menschen programmiert ermöglichen diese Anweisungen in Kombination mit den verfügbaren Daten, dass sich der Algorithmus entsprechend anzupasst und dadurch lernt - immer mit dem Ziel, die gestellte Aufgabe bestmöglich auszuführen.

Um den Unterschied zwischen einem Computerprogramm und einem KI-System besser zu verdeutlichen, betrachten wir die folgende kleine Geschichte über Maria (eine Programmiererin) und ein KI-System, genannt Heston-KI:

Maria, eine junge italienische Ingenieurin, hat von ihrer Grossmutter gelernt, wie man anhand ihres legendären Familienrezeptes die perfekte Pizza zubereitet. Als ihre Firma sie eines Tages bittet, eine neue Pizzamaschine für einen Wettbewerb zu entwerfen und zu programmieren, ist Maria bereit und hat alles nötige Wissen zusammen, um die Herausforderung zu meistern.

Sie übersetzt das Familienrezept in ein Programm, das die vorgegebenen Zutaten präzise kombiniert und die Pizza für die exakte Backzeit in einen perfekt vorgeheizten Ofen schiebt. Das Resultat beim Wettbewerb ist höchst zufriedenstellend. Die Pizza sieht sehr appetitlich aus und schmeckt köstlich. Die Jury ist begeistert!

Fassen wir zusammen: Ein Mensch (Maria) hat ein Programm (den Algorithmus) geschrieben, das Daten (die Zutaten) nimmt und sie mit Parametern (das Rezept, das die Reihenfolge, die Mengen und die Backzeit angibt) kombiniert, um ein gewünschtes Ergebnis (eine preiswürdige Pizza) zu erhalten. Es stimmt, Marias Grossmutter musste zuerst einmal die richtige Zutatenliste zusammenstellen und hat das Rezept über Jahre hinweg verbessert. Aber als sie es für Maria aufgeschrieben hat, war das Rezept wie in Stein gemeisselt. Das Computerprogramm folgt den Anweisungen genauestens Schritt für Schritt. Alle die Zugriff auf das Programm hätten, könnten das exakt gleiche Ergebnis erzielen.

Doch wie würde nun ein KI-System wie Heston-KI diese Aufgabe lösen? Im Prinzip auf eine sehr ähnliche Weise. Da Heston-KI keine Vorfahren oder existierende Erfahrungen hat, auf denen sie aufbauen kann, muss sie “on the job” lernen. Oder anders gesagt, sie braucht Training. Während dem Wettbewerb muss sie selbst herausfinden, was das beste Rezept und die optimale Kombination der Zutaten ist. Zum Glück gibt die Wettbewerbsjury Heston-KI 10’000 Versuche um die beste Pizza zu kreieren.

Und so macht sich die KI an die Arbeit. Heston-KI nimmt ein paar zufällige Zutaten, kombiniert sie willkürlich und schiebt die Pizza für zwei Stunden bei 500°C in den Ofen. Heston-KI ist glücklich - ihre Lieblingsfarbe war schon immer Holzkohleschwarz1. Und als i-Tüpfelchen beschliesst Heston-KI ebenfalls noch ein bisschen Tomatensauce hinzuzufügen. Leider ist die Jury sehr unzufrieden und gibt der Pizza eine schlechte Note.

Heston-KI versucht es noch einmal mit den gleichen Zutaten. Aber diesmal gibt sie die Tomatensosse vor dem Backen auf die Pizza und backt sie für 20 Minuten bei 160°C. Die Noten der Jury sind ein wenig besser als zuvor. Unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen hat Heston-KI nun gelernt, was sie ändern muss, um das aktuelle Rezept zu verbessern.

Als Nächstes passt sie die Liste der Zutaten an, mit dem Ziel ein noch besseres Ergebnis zu erreichen. Schrittweise ändert Heston-KI immer wieder ein paar Dinge hier und da und wertet das neue Ergebnis aus. Nach viel Ausprobieren und so manchen Fehlversuchen kommt die KI schliesslich zu einem beeindruckenden Rezept. Durch das gekonnte kombinieren von diversen exotischen Zutaten ist Heston-KI fähig, die perfekte Pizza für diesen Wettbewerb zu erstellen. Die Jury kann es nicht glauben und ist aus dem Häuschen!

Am Ende produzieren Marias Pizzamaschine und Heston-KI das gleiche Ergebnis - eine leckere Pizza. Der Unterschied ist jedoch, dass Heston-KI das Rezept erst einmal selber entwickeln musste. Sie musste während des Wettbewerbs lernen, welche Zutaten man am Besten kombinieren sollte um ein optimales Resultat zu erhalten. Da die KI verschiedene Szenarien ausprobieren konnte, war es in der Lage, ihren eigenen Ansatz den vorhandenen Zutaten und dem Geschmack der Jury anzupassen. Oder anders ausgedrückt: Das KI-System “hat aus den Daten gelernt, wie es seine Aufgabe optimal erfüllen kann”.

Es ist dieser zusätzliche Schritt, der das KI-System von einem normalen Computerprogramm unterscheidet - die KI hat die Flexibilität, ihr Verhalten bei der Ausführung einer Aufgabe anzupassen. Nach dem Erlernen der Aufgabe sind die Befehle des KI-Systems jedoch genauso statisch wie ein von Menschen entworfenes Programm.

Was Maria und Heston-KI kreiert haben, ist dasselbe. Am Ende haben beide eine klare Anleitung, wie man Schritt für Schritt eine leckere Pizza erstellt. Einmal war es ein Mensch, der die entsprechenden Parameter festgelegt hatte, und ein andermal war es eine KI.2 Der Vorteil der KI sind aber ganz klar die Geschwindigkeit, Rechenleistung und Flexibilität, mit denen sie die optimale Lösung sucht.

Eine KI wie ein Computerprogramm zu verwenden

Im vorangegangenen Abschnitt wurde beschrieben, wie ein KI-System aus Daten lernen kann um eine bestimmte Aufgabe optimal erfüllen zu können. In diesem Falle war dies die Entscheidung, welche Zutaten auf welche Weise und nach welchem Rezept kombiniert werden sollen, um die beste Pizza zu kreieren - beziehungsweise, um den Geschmacksnerv der Juroren zu treffen.

Das KI-System braucht aber keinen Menschen, um das beste Rezept zu erstellen. Innert kürzester Zeit könnte eine KI also lernen, Generationen von menschlicher Erfahrung zu ersetzen. Doch wenn das neue Rezept mal ausgearbeitet wurde, dann ist die Vorgehensweise für das KI-System und das von Maria geschriebene Computerprogramm genau das Gleiche.

Und so verhält es sich auch mit anderen “schlauen” Geräten. Ein Smartphone, das mittels Gesichtserkennung entsperrt werden kann, muss dazu nicht zwingend ein KI-System verwenden. Es muss bloss ein Computerprogramm oder eine “Anwendung” (auch “App” genannt) ausführen, das zuvor mit KI-Technologie trainiert und optimiert wurde.

Bevor das Computerprogramm ausgeliefert wird, hat das KI-System aus Millionen von Fotos gelernt, wie man Gesichter am Besten unterscheiden kann. In anderen Worten: Indem die KI aber Millionen Bilder angeschaut hat, hat sie gelernt wie man für jedes einzelne Gesicht einen brauchbaren “Fingerabdruck” erstellen kann. Sobald das Verfahren zur Herstellung dieses “Fingerabdruck” einmal erlernt wurde, braucht es keine KI-Technologie mehr. Jede beliebige Anwendung kann nun diesem Verfahren Schritt für Schritt folgen. Beim Kauf des Handys muss das Gesicht des Besitzers nun einmal kurz identifiziert werden, und kann dann anschliessend als Referenz verwendet werden, um später zu entscheiden, ob der Besitzer das Handy verwendet, oder eine andere Person.

Natürlich sind die Dinge aber nicht immer so einfach. Dank immer leistungsfähigeren Handys sind neuesten Anwendungen nun auch in der Lage das “Fingerabdruck Modell” laufend anzupassen. Je mehr Sie das Handy verwenden, desto öfters kann das Handy Sie sehen, und umso besser kennt es Sie.

Man spricht auch von maschinellem und tiefem Lernen. Was genau ist das?

Ein Punkt, den wir mit “That's AI” nicht oft genug betonen können, ist, dass KI aus Daten lernt. Vielleicht haben Sie sogar schon von unterschiedlichen Arten dieses Lernens gehört - zum Beispiel vom maschinellen Lernen (auf Englisch “machine learning”) oder dem Tiefen Lernen (auf Englisch “deep learning”). Was sind nun genau die Unterschiede zwischen diesen Konzepten?

Künstliche Intelligenz (KI) ist der Sammelbegriff, der unser Bestreben beschreibt, intelligente Systeme zu schaffen, die in der Lage sind, menschliche Intelligenz und menschliches Verhalten nachzuahmen.

Maschinelles Lernen (ML) ist ein Teilbereich der KI, der statistische Methoden verwendet, damit Maschinen aus Daten lernen können. Das ist auch was Heston-KI für das Pizzabacken verwendet hat und was wir meinen wenn wir sagen, dass eine “Maschine aus Daten gelernt hat, um eine Aufgabe auszuführen”.

Maschinelles Lernen ist typischerweise das, was wir meinen, wenn wir über KI sprechen. Aber maschinelles Lernen ist nicht der einzige Weg mit welchem wir hoffen eine starke KI[starkeKI] 3 zu entwickeln. Der Artikel über die Geschichte der KI hat bereits einige andere Ansätze wie Expertensysteme oder Robotik erwähnt .

Expertensysteme verwenden “Wissens-Datenbanken” und verfolgen einen eher regelbasierten Ansatz, um Informationen zu finden, Entscheidungen zu treffen und vorauszuplanen. Das Ziel der Robotik ist es, physische Geräte zu entwickeln, die mit Hilfe von Sensoren und Motoren mit ihrer Umwelt interagieren und diese manipulieren können.

Tiefes Lernen (TL) gehört zu einer breiten Unterfamilie von Methoden des maschinellen Lernens. Der Ansatz basiert dabei auf künstlichen neuronalen Netzwerken. Diese sind ihrerseits von der Art und Weise inspiriert worden, wie unser Gehirn mit Hilfe von Neuronen es geschafft hat Informationen zu verarbeiten und zu erlernen.

Da diese künstlichen neuronalen Netzwerke oft mehrere “Schichten” von miteinander verbundenen “Neuronen” enthalten, werden sie oft auch “tief” genannt. Diese “Tiefe” gibt dem Tiefen Lernen seinen Namen. Genau wie in unserem Gehirn erlaubt eine solche hierarchische und komplexe Struktur einem “Tiefen Lern”-Modell, viele Informationen auf einmal zu verarbeiten. Schicht für Schicht sind solche Modelle in der Lage, immer komplexere Informationen aus den Daten herauszulesen.

Diese Leistung hat jedoch ihren Preis - für ein ausreichendes Training benötigen solche Modelle eine riesige Menge an Daten, um optimale Werte für die Millionen oder sogar Milliarden von Parametern zu berechnen. Darüber hinaus sind aktuelle “Tiefes Lernen”-Modell sehr schwer zu interpretieren und zu verstehen. Dies führt oft dazu, dass sie sich wie eine Blackbox verhalten, da man nicht wirklich weiss was sie genau machen.

Wir werden in einem späteren Artikel mehr über künstliche neuronale Netzwerke und Tiefes Lernen erfahren.

  1. Wie im vorherigen Artikel erläutert ist eine KI kein Wesen und hat kein Bewusstsein. Somit hat Heston-KI weder Gefühle noch Vorlieben. Aber es ist ja nur eine Geschichte, da ist auch ein bisschen Spass erlaubt. 

  2. Aber es gibt Szenarien, in denen wir nur über unzureichendes Fachwissen verfügen, und hier kann KI menschliche Versuche schnell übertreffen. Der jüngste Erfolg beim Problem der Proteinfaltung ist ein solches Beispiel. 

  3. Das Konzept der “starken KI” haben wir in unserem letzten Artikel erläutert. 

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