KI im Sport

Mohamad Dia @ EPFL Extension School · 12 Minuten

Wie KI verändert, wie wir Sport sehen und spielen.

Die Welt des Sports hat sich schon immer für die Technologie interessiert, die das Sporterlebnis bereichert. In dieser Entwicklung ist KI nun die nächste Stufe.

Athleten, die dank Daten ihre Leistung steigern wollen; Trainer, die mit Algorithmen einen Spielplan verfeinern möchten; Schiedsrichter, die immer den richtigen Entscheid treffen sollten - KI spielt immer mehr eine Schlüsselrolle. Sie ändert auch das Zuschauererlebnis, sowohl live im Stadion als auch zu Hause am Fernsehen.

In diesem Artikel schauen wir uns an, wie sich der Sport im Zeitalter von KI entwickelt, und was die immer raffinierter werdende Technologie für die Zukunft bedeutet. KI mag zwar den Sport verändern - aber es ist letztlich der menschliche Faktor, der dem Sport die Dramatik und die Schlagzeilen garantiert.

Was also müssen Sportorganisationen, Athleten, Schiedsrichter, und TV Übertrager beachten, wenn sie KI in ihre Arbeit integrieren wollen?

Wieso KI im Sport?

Die verschiedenen Formen des Sports stellen heutzutage einen grossen Teil des Unterhaltungsangebotes dar. So schätzt man zum Beispiel, dass mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, die älter als 4 Jahre ist, die Austragung der FIFA Weltmeisterschaften mitverfolgt.

Die Welt des Sports ist deshalb auch eine der profitabelsten Industrien, welche grosse Investitionen und Werbeaktivitäten anzieht. Dieses breite Interesse am Sport generiert so Geschäftsmöglichkeiten, die den Einsatz von KI im Sport fördern. Darüber hinaus generieren Sportanlässe auch sehr grosse und reichhaltige Datensätze, von Resultaten und Statistiken bis hin zu hochauflösenden Videos und automatischem Spielertracking.

Als wichtige Voraussetzung von maschinellem Lernen stellen solche Daten einen reichhaltigen Nährboden für erfolgreiche KI Anwendungen dar. Natürlich ist Sport nicht der einzige Bereich, der von KI betroffen ist - aber seine grosse Popularität macht ihn zu einem der interessantesten Gebiete für KI.

Wenden wir uns also den unterschiedlichen potentiellen Anwendungen im Sportbereich zu.

Wie KI das Zuschauererlebnis verändert

Vereinfacht gesagt: KI bringt die Zuschauer näher an den Ort des sportlichen Geschehens und involviert sie damit stärker in das Spiel, ob im Stadion oder am Fernsehen.

Sportübertrager und -produzenten benutzen KI auch, um ein personalisiertes und spannenderes Zuschauererlebnis zu ermöglichen. Anstatt zum Beispiel jeden einzelnen Spielzug von Hand nachzuzeichnen, kann KI automatisch die interessantesten Highlights zusammenstellen, indem sie die Spielerbewegungen und die Atmosphäre der Zuschauer in Echtzeit analysiert. Dies kann nicht nur im Stadion geschehen, sondern auch auf sozialen Medien, wo immer wie mehr Sporterlebnisse live verfolgt und kommentiert werden.

Darüber hinaus kann KI auch Spielkommentare und -analysen unterstützen, oder sogar selber generieren. So kann z.B. die Trefferquote von Basketballspielern innerhalb von Sekunden dargestellt werden. KI Systeme können den Zuschauern mehr Optionen geben, beispielsweise aus welchem Blickwinkel sie ein bestimmtes Spiel, oder ihre Lieblingsspieler, verfolgen möchten.

Sportmedien benutzen KI auch, um die gesprochenen Kommentare automatisch in Untertitel in unterschiedlichen Sprachen zu übersetzen. Diverse KI Startups arbeiten an sogenannten Spieler-Hologrammen, die ein noch intensiveres Zuschauererlebnis ermöglichen sollen.

Verbessern des Stadionerlebnisses

Aber KI wird nicht nur für die Zuschauer zu Hause eingesetzt. Von Echtzeit- Analysen über virtuelle Replays zu intelligenten Ticket- und Parksystemen: der Einsatz von KI Technologie findet auch in und um die Stadien immer wie mehr Einzug. Auch im Sicherheitsbereich wird KI vermehrt eingesetzt, z.B. in der Form von Frühwarnsystemen durch Körperscans und Gesichtserkennung. Werbefirmen interessieren sich für die automatische Analyse der Stimmung im Publikum, um situationsangepasste Werbung schalten zu können.

Werden Sportveranstaltungen bald wie Sci-Fi-Filme aussehen, wo Drohnen und Roboter den hungrigen Zuschauern Snacks liefern oder bei der Reinigung und Wartung helfen?

KI hilft Spielern, ihre Leistung zu verbessern und Gesundheit zu fördern

Fitness und Gesundheit sind für alle Sportarten essentiell, und KI-basierte wearables1 sind deshalb sowohl bei professionellen Sportlern als auch bei Amateuren sehr beliebt, um die Leistung zu messen und die Gesundheit zu fördern.

Zu den beliebtesten technischen Helfern (auch Gadgets genannt) gehören intelligente Armbänder, Trägheitssensoren, lokale und globale Positionierungssysteme, vernetzte Turnschuhe, intelligente Kleidung und Herzfrequenzmesser. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie den Athleten wichtige Daten während des Trainings und der Wettkämpfe aufzeichnen.

Solche Geräte können viele Aspekte der Leistung in Betracht ziehen: von der Distanz, die während eines Laufes oder eines Fussballspiels zurückgelegt werden, über die Anzahl verbrannter Kalorien, bis hin zu minimalsten Variationen in Bewegungsabläufen z.B. beim Boxen. Aber die Geräte können noch mehr, als nur Statistiken bereitzustellen - sie können den Benutzern auch Empfehlungen für ihre Trainingspläne erstellen, oder personalisierte Ernährungspläne vorschlagen.

Solche Analysen und Vorschläge helfen den Athleten, ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit auf höchstem Niveau zu halten, die Trainingseffizienz zu steigern, und sogar die Leistung während der Spiele zu verbessern. Sie helfen auch, frühe Anzeichen von Ermüdung und Stress zu erkennen und Muskel-Skelett-Verletzungen oder Herz-Kreislauf-Probleme zu vermeiden.

Visuelle Tracking-Systeme ermöglichen es Spielern, ihre grössten Stärken und Schwächen zu erkennen. Zum Beispiel kann ein Fussballer seine Bewegungen, Schüsse, Dribblings und Pässe analysieren, und dann gezielter an seinen Fähigkeiten arbeiten, um seine Leistung in zukünftigen Spielen zu verbessern.

KI ermöglicht es Teams, die besten Spieler und Trainer zu engagieren

Der 2011 Film “Moneyball” mit Brad Pitt und Jonah Hill erzählt die Geschichte eines amerikanischen Baseball Teams, das als eines der ersten auf datengestützte Analysen setzte.

Die Oakland Athletics benutzen im Jahr 2002 Daten, um mit einem kleinen Budget ein konkurrenzfähiges Team zusammenzustellen. Sie nutzten das, was im Baseball als “sabermetrischer” Ansatz2 bezeichnet wird, um die Statistiken der Spieler zu erfassen. Dadurch wurde aus den Oakland Athletics ein Team, das in der Lage war, mit einigen der Top-Teams der Major League Baseball zu konkurrieren, wie z. B. den New York Yankees, deren Lohnkosten mehr als doppelt so hoch waren.

Zu dieser Zeit stellte eine solche datengestützte Entscheidung einen Bruch mit der Tradition im Baseball dar. Und auch wenn dieser Ansatz bahnbrechend war, so war die maschinelle Intelligenz - KI - damals noch sehr begrenzt, und viele Entscheide konnten nur von Menschen getroffen werden. Aber die KI Entwicklungen in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass der Sport jetzt auf einer ganz neuen Ebene analysiert werden kann.

Heute kann KI neue Erkenntnisse bringen, erfolgreiche Spielstrategien definieren, und Teams dabei helfen, die höchstqualifiziertesten Mitarbeiter zu finden. Man erwartet, dass diese Systeme in Zukunft ein so tiefes und fortschrittliches Verständnis des Sports haben werden, dass sie ebensoviel - oder vielleicht sogar mehr - wissen als die Trainer.

Die Komplexität der Daten im Sport

Im Sport wird eine riesige Menge von Daten generiert - so viel, dass es selbst für die besten Spezialisten schwierig ist, daraus alle möglichen Erkenntnisse abzuleiten.

Selbst einfach Aufgaben, wie z.B. aus einem Video alle möglichen Statistiken abzulesen - z.B. die Anzahl Pässe eines Spielers während eines Fussballmatches, oder die zurückgelegte Distanz eines Rugby Spielers - sind für KI zunehmend einfacher als für das menschliche Auge. In viele Sportarten gibt es darüber hinaus relativ komplexe Spielabläufe mit mehreren Personen, und solche Abläufe sind schwierig zu erfassen mit dem menschlichen Auge alleine.

Ein Beispiel ist der sogenannte “pick-and-roll” Spielzug im Basketball. Dieser offensive Spielzug wird von vier Spielern ausgeführt, zwar mit jeweils unterschiedlichen Resultaten, doch immer nach einem ähnlichen Muster. Und da Mustererkennung eine der grossen Stärken von KI ist, kann die Technologie solche Spielzüge einfach erkennen und sofort analysieren, z.B. auf Spielerpositionen, oder auf Geschwindigkeit.

In der amerikanischen Basketball Liga NBA wird deshalb schon seit Jahren auf Tracking Technologie gesetzt, um das Spiel zu analysieren, und um die besten jungen Talente rechtzeitig zu identifizieren. KI hilft den Trainern auch dabei, ihre Spielstrategien zu verfeinern. So können sie z.B. häufige Fehler aufzeigen, sowie Stärken und Schwächen analysieren - sowohl im eigenen Team, wie auch im Team der Gegner.

Viele der besten Sportclubs benutzen heutzutage KI, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Transfermarkt zu verbessern. Die klassische Methode, Talentsucher an die Spiele zu senden, wird vermehrt durch neue Technologien ergänzt, die es den Trainern vereinfachen, Entscheidungen für neue Spielerverpflichtungen zu treffen.

Auch im taktischen Bereich wird KI immer häufiger eingesetzt - moderne Technologie kann Einblicke in die beste Position eines Spielers auf dem Spielfeld geben. Sogar einige der erfahrensten Trainer, wie z.B. Ron Rivera, Cheftrainer des NFL-Football-Teams in Washington, nutzen Algorithmen und maschinelles Lernen, um bessere Spielstrategien zu entwickeln.

In einigen Fällen bemerkt KI wichtige Details, die den Trainern entgangen sind. Im Basketball beispielsweise kann ein KI-System heutzutage die Trefferchancen eines bestimmten Spielers unter Berücksichtigung der gesamten Spielsituation relativ genau berechnen. Diese Fortschritte sind der Grund, warum viele Experten glauben, dass es nicht mehr lange dauert, bis ein komplettes KI-System ein Spiel vollständig “verstehen” kann.

KI hilft Schiedsrichtern, die richtigen Entscheidungen zu treffen

Schiedsrichter stehen unter ähnlichem Druck wie Trainer und Spieler, und menschliche Fehler sind immer möglich. Wer kann z.B. Diego Maradona’s berühmtes Handspiel - die “Hand Gottes” - im WM-Finale 1986 vergessen?

In den letzten Jahren wurden mehrere Systeme zur Unterstützung der Schiedsrichter eingeführt, darunter das “Decision Review System” (DRS) und der “Video Assistant Referee” (VAR). Diese basieren jedoch auf der klassischen Zeitlupen-Technologie, und benötigen immer noch ein menschliches Auge, um die endgültige Entscheidung zu treffen. Dies unterbricht nicht nur den Spielfluss, sondern hat auch zu erheblichen Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten geführt, da Fans, Spieler und Kommentatoren oft behaupten, das VAR System würde falsch entscheiden.

Neue Technologien können aber schnellere und genauere Entscheidungen treffen, in dem sie hochauflösende Sensoren verwenden, um die genaue Platzierung und Geschwindigkeit eines Schusses oder eines Spielers zu erkennen. Im Tennis zum Beispiel wird jetzt ein elektronischer Schiedsrichter namens “In/Out” eingesetzt, der seinem menschlichen Gegenstück anzeigt, ob ein Ball im Aus gelandet ist. Da die Technologie jedoch relativ neu ist, ist auch sie nicht fehlerfrei und muss ständig verbessert werden.

Und nicht zuletzt beteiligt sich KI vermehrt auch am Kampf gegen Kriminalität im Sport, wie z.B. Spielmanipulationen und Wettbetrug. KI kann Sportwetten auf der ganzen Welt analysieren und Anomalien und Muster erkennen, die ungewöhnlich sind, aber von einem menschlichen Auge übersehen werden könnten.

Der nächste Schritt

Das menschliche Element sorgt für Spannung und Überraschung im Sport. Spieler und Schiedsrichter sind nicht perfekt, und diese Unvollkommenheiten sind oft die Hauptgesprächsthemen für die Fans am Spieltag. Der Sport würde schnell ziemlich langweilig werden, wenn er auf eine rein analytische und vorhersehbare Weise ablaufen würde.

Während der Einsatz von KI Technologien im Sport weiter fortschreiten wird, lebt der Sport, wie gerade beschrieben, vom menschlichen Element mit all seinen Überraschungen. Deshalb wird immer ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Maschine erforderlich sein.

  1. Kleidung in die Sensoren und Computerchips eingearbeitet sind, um Daten des Nutzers und seiner Umwelt zu erfassen und direkt zu verarbeiten. 

  2. Sabermetrics ist ein statistischer Ansatz im Baseball. Das Wort findet seinen Ursprung und Aufbau in der Abkürzung SABR (Society for American Baseball Research), die die erste Gesellschaft war deren Hauptziel das Analysieren des Baseball Sports war. Lesen Sie mehr darüber

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